Geschenke der Natur

Heuer begann der Kurs im Haus der Stille am Fronleichnamstag um 15:00 Uhr. Vier Frauen waren mit Neugier angereist: wie kommt nun die Pflanze auf den Stoff, ohne zusätzliche Farbe zu verwenden? Auch eine „Wiederholungstäterin“ war dabei. Ecoprint, zum dritten Mal, immer zu unterschiedlichen Jahreszeiten. Das Haus der Stille ist von einem wunderbaren Garten umgeben und eingebettet in die Landschaft des südoststeirischen Hügellandes. Jede Menge Natur und Stille inklusive. Ideale Bedingungen für Tage mit Pflanzendruck verbunden mit meditativen Impulsen. Und Anlass genug für Dankbarkeit. Hatte uns in den letzten beiden Jahren der Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi mit seinem Lob der gesamten Schöpfung begleitet, liehen wir uns diesmal Gedanken von Bruder David Steindl Rast, Gedanken aus dem ABC der Dankbarkeit. Dankbarkeit für die Erde – und der Gedanke des vietnamesischen Mönchs Thich Nhat Hanh, das eigentliche Wunder sei es, auf der Erde zu gehen (und nicht auf dem Wasser, wie oft angenommen wird) führten uns in den Garten. Mit Achtsamkeit gehen und schauen, welche Fülle uns die Natur schenkt, was so scheinbar selbstverständlich rund um uns da ist. 

Und welche Blätter drucken nun gut im Ecoprint? Mit einer dankbaren Verneigung nehmen wir einige Blätter mit. Haselnuss, Walnuss, Birke, Robinie, Goldrute, Brombeeren, Pfingstrosen und Rosen säumen unseren Weg. Auch im Färbergarten schauen wir vorbei. Reseda, der Färberwau hat schon seine Blütenrispen ausgebildet, die Blätter färben und drucken auch gut. Die ersten Knospen der Färberkamille sind im Aufspringen. Mit etwas Glück können wir die Blüten noch drucken. Heuer ist durch das kalte Wetter alles später dran. Dunkelrote Blätter vom Perückenstrauch habe ich mitgebracht.

Wir haben genug Material gesammelt, da fallen die ersten Regentropfen. Zurück im Kursraum gibt es etwas Theorie und dann gleich viel Praxis. Zwei Baumwollstoffe sind vorbereitet, einer in Alaun gebeizt, der andere in Eisen. Der erste Stoff wird genässt und gut ausgewrungen. Dann zur Hälfte mit Blättern belegt. Der nicht belegte Teil des  Stoffes wird darübergeklappt. Nun noch eine Lage Papier darüber, Plastik meiden wir nach Möglichkeit. Jetzt wird der Stoff eng über ein Rundholz gerollt und dann fest abgebunden. Fertig ist das erste Stück. Mit dem zweiten Stoff verfahren wir ebenso, beim in Alaun gebeizten Stoff dippen wir einige Blätter vor dem Auflegen noch in Eisenbeize. Die mit der Schnur fest umwickelten Rollen kommen nun in den Topf – sie werden gedämpft.

Mit dem Tanz der Prophetin, den Gesten von Achtsamkeit und Dankbarkeit, den Bewegungen der Freude und des Säens, dem Erspüren des Segens und der Kraft von Himmel und Erde beschließen wir den Tag. Nach dem Abendessen hole ich die gedämpften Rollen aus dem Topf. Sie sind bereit für den nächsten Tag, um ausgewickelt zu werden. Bereit für das Wunder des Staunens!

Und so eröffnen wir den Freitag auch mit dem Buchstaben A des Alphabets der Dankbarkeit: Amazement, zu deutsch: Staunen! Jede Stunde ist meine Stunde Staunen, schrieb Rose Ausländer. Diesen Gedanken nehmen wir mit in den Tag. Und Staunen, welche Pracht sich aus den aufgelegten Blättern in den Stoff – und auch das Papier! –  übertragen hat. 

Eigene Stoffe werden nun gebeizt, weitere Blätter gesammelt und aufgelegt, Experimente gewagt. Druckt diese Pflanze? Und jene? Ausprobieren und auf Überraschungen gefasst sein. Auf das Staunen! 

Bis zum Mittagessen hat sich der Dämpftopf gut mit Rollen gefüllt. Eine lange Mittagspause gönnt uns Ruhe und Stille, Zeit zum Genießen der Natur.

Am Nachmittag treffen wir uns wieder und bewundern das Ergebnis. So vielfältig wie die Teilnehmerinnen sind auch die wundervollen Stoffe geworden. Mit einem kleinen Schreibangebot zum meditativen Impuls des Morges runden wir den Tag ab. Wir schreiben uns selbst eine Postkarte des Staunens und fassen die Worte in einem Vierzeiler oder einem Satz zusammen. Reger Austausch darüber leitet zum abschließenden Tanz über.

Es ist Samstag geworden. Zwei Wörter des ABC der Dankbarkeit begleiten uns heute: Schönheit und DU. Die Schönheit der Natur, und unser in Beziehung sein, sind Grund für Dankbarkeit.

Und wir versuchen uns in einer neuen Druckmethode: mit Krapp gefärbte Stoffe werden mit einer „Eisendecke“ überdruckt. Wir legen wieder Blätter auf den genässten Stoff. Manche Blätter werden den roten Stoff entfärben, manche geben Farbe ab und andere wieder wirken als Reservierung. Der nicht mit Blättern belegte Stoff wird durch die Eisendecke etwas dunkler. Wird es gelingen?

Es gelingt, und wir stellen fest, dass die Stoffe verschieden reagieren. Und dass uns die Eisentücher auch gut gefallen!

Nach dem Staunen über die Schönheit halten wir inne mit dem Blick auf die Worte des Morgens. Schönheit und DU. Dazu gibt es ein Schreibangebot und Austausch. Ein Tanz rundet auch diesen Tag ab.

Now! Jetzt! Heißt es am Sonntag Morgen. Ganz im Jetzt sein, das Ziel aller spirituellen Übungen, führt zu Dankbarkeit. Innehalten und genau hinschauen, was das Leben mir heute anbietet, als tägliche Übung der Dankbarkeit. Wofür bin ich heute dankbar? 

Den schönen Sonnengesangsweg im Garten der Stille gehen wir als Weg des Dankes und geben die Blätter wieder Mutter Erde zurück. So binden wir sie und uns ein in den Kreislauf der Natur.

Dann räumen wir auf und bereiten unsere Tische mit all den wunderbaren Stoffen, die entstanden sind und blicken in Dankbarkeit und voll Freude auf die Tage zurück.